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Der Spohr Verlag ist ein Sufi-Verlag, hat aber zum Teil interessante Bücher.
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Viele Jahrhunderte lang hatte das Evangelium des Heiligen Barnabas – möge Gott ihn segnen – vor der Öffentlichkeit verborgen gehalten werden können, bis es im 16. Jahrhundert in einer italienischen Übersetzung aus den verschlossenen Bibliotheken des Vatikans herausgebracht wurde und nach einer abenteuerlichen Odyssee heute in der Wiener Staatsbibliothek (Cod. 2662 Eug.) seinen Platz hat.
Schon die Schriftgelehrten des Altertums hatten sich darüber gewundert, daß das Barnabas-Evangelium aus den alten Codices entfernt worden war. Und bis heute fragt man sich: Was mag der Grund dafür gewesen sein? Was war es und was ist es denn, was uns seit jener Zeit verheimlicht werden soll?
Daß es nicht Jesus war, der Gesalbte, der den Kreuzestod erlitt, sondern Judas Ischariot, der durch ein göttliches Wunder die Gestalt und das Aussehen Jesu erhalten hatte, wie der Apostel und engste Vertraute Jesu berichtet, war das der aufregende Grund für jene Ächtung? – Tatsache ist, daß die Lehre des Barnabas-Evangeliums – keine Dreifaltigkeit, Jesus ein Mensch, Befolgung des jüdischen Ritualgesetzes – mit dem Glauben des nazaräischen Judenchristentums übereinstimmt, wie er von Clemens, dem zweiten Bischof Roms, in den Reisepredigten des Petrus bezeugt wurde.
Der aus dem Blickwinkel eines paulinisch verfärbten Christentums und seiner Kanonik also hochbrisante Text zeigt sich neuerer Forschung indes immer deutlicher als das im Kern zumindest älteste uns heute bekannte Evangelium jüdisch-christlicher Tradition: ein in Teilen so gut wie unbekannt gebliebenes heiliges Vermächtnis voller Weisheit, Frische und der bewegenden Schönheit des Echten. Mit ihm stellt sich die alte Frage neu: Wer eigentlich war Jesus, was sein Glaube?
Haben sich die von aufgeschreckten Christen gegen die Echtheit des Evangeliums ins Feld geführten Einwände im Rahmen neuer Forschungen zunehmend als Bumerang erwiesen, sofern gerade sie die Authentizität und den hohen Rang des Werkes in nur um so hellerem Licht erstrahlen ließen, zeigt sich die Brisanz des Barnabas-Evangeliums unvermindert darin, daß es das gegenwärtige (paulinische) Christentum als eine gravierende Verfälschung der ursprünglichen Lehre Jesu und allesentscheidender Momente seiner Lebensgeschichte erweist. Daß es dabei zugleich eine Nähe zu den alten Judenchristen und ebenso zur muslimischen Sicht Jesu, des Sohnes der Maria, erkennen läßt, auf dem der Friede sei, kommt aus paulinischer Sicht erschreckend hinzu. Eine von Scharfmachern regelrecht inszenierte Kampagne zur Herabsetzung der Authentizität des vorliegenden Werkes hat inzwischen schon den Charakter verzweifelter Zwanghaftigkeit angenommen.
Als hintergründiges Motiv einer von guten Argumenten bislang unbeeindruckt gebliebenen Propaganda gegen das Barnabas-Evangelium zeigt sich indes nurmehr genau das, was ein weiser Mann angesichts eines dem Theologischen Seminar der Universität Freiburg entliehenen Exemplars jener Erstausgabe von Lonsdale and Laura Ragg von 1907 empfand, als er bemerkte, daß es nach fast einem Jahrhundert im Besitze der Theologen noch nicht einmal aufgeschnitten war:
„They fear the truth!“
So wünschen wir dieser Ausgabe denn eine weite Verbreitung unter all denen, die seine Weisheit schätzen, seine umwerfende Schönheit lieben und seine Wahrheit nicht fürchten …